überraschend junggeblieben:
Pflegeausbildung bei der medbo

Die älteste Krankenpflegeschule der Oberpfalz feiert 2023 ihr hundertjähriges Bestehen.

Bis ins frühe 20. Jahrhundert hatte das Pflegepersonal in Nervenheilanstalten vorrangig eine Aufsichts- und Überwachungsfunktion. Das "Job"-Profil war das einer erfahrenen Dienstmagd beziehungsweise eines aus dem Militärdienst entlassenen Mannes.

Der damalige Direktor der Nervenheilanstalt Karthaus-Prüll zu Regensburg, Dr. Karl Eisen, erkannte die Notwendigkeit, dieses "Wartpersonal" pflegerisch und in medizinischen Grundkenntnissen zu schulen. Im Jahr 1923 gründete er eine entsprechende Pflegeschule - die erste in der Oberfpalz. Von da an wurden Frauen und Männer an der Heil- und Pflegeanstalt Regensburg während einer 18-monatigen Ausbildungszeit zu Krankenschwestern und -pflegern ausgebildet.

Während der Zeit des Nationalsozialismus kam der Schulbetrieb zum Erliegen und wurde erst im Jahr 1948 wieder aufgenommen. Fünf Männer und 18 Frauen nahmen am ersten Krankenpflegekurs der Nachkriegszeit teil und wurden vom stellvertretenden Ärztlichen Direktor Dr. Rudolf Karl persönlich unterrichtet. Seitdem begann jährlich ein neuer Krankenpflegekurs, anfangs mit einer, ab den 1970er Jahren mit zwei Klassen. Neben den dreijährigen Krankenpflegekursen wurden zeitweise immer wieder auch Krankenpflegehilfekurse mit kürzerer Dauer angeboten.

100 Jahre am Puls der Zeit

Heute verfügen die medbo Pflegeschulen Regensburg über etwa 250 Ausbildungsplätze und sind nicht nur die älteste, sondern auch eine der größten Ausbildungs- und Lehrstätten für Pflegeberufe in der Oberpfalz.

2023 feierten die Pflegeschulen ihr 100jähriges Bestehen. In diesen 100 Jahren haben Tausende junger Menschen hier ihre Leidenschaft für den Pflegeberuf entdecken und entwickeln können. Die medbo Pflegeschulen selbst haben mit viel Ideenreichtum, Know-How und profunder Professionalität die Pflege und die Lehrmethoden im Fach Pflege maßgeblich gestaltet, entwickelt und geprägt.

So sind die Pflegeschulen Vorreiterinnen in Sachen Akademisierung der Pflegeberufe ebenso wie in Sachen Internationalisierung. Die Regensburger Pflegeschüler haben seit vielen Jahren die Möglichkeit, in die Pflegewelten an internationalen Kliniken reinzuschnuppern - und ebenso kommen internationale Gastschüler:innen zu uns nach Regensburg.

Viele der Initiativen und Methoden der medbo Pflegeschulen wurden ausgezeichnet.

Pflege annodazumal

Psychiatrische Pflege in Regensburg Mitte des 19. Jahrhunderts

Um zu ermessen, was eine moderne Pflegeausbildung heute leistet, wie weit sie sich entwickelt und so das Fach Pflege mitprofessionalisiert hat, wird im Rückblick besonders deutlich. Die Anfänge der Pflege und Betreuung psychisch kranker Menschen sind spannend – und manchmal auch zum Schmunzeln. Ein kleiner Einblick in die Gründungszeit der "Nervenheilanstalt Karthaus-Prüll" in den Jahren nach 1852 ...

Die Wurzeln der modernen psychiatrischen Pflege

Die Geschichte der psychiatrischen Versorgung in Regensburg beginnt 1852. Der damalige bayerische König Maximilian II. Joseph nutzte im Zug der Säkularisation aufgelöste Klöster zur Errichtung so genannter Kreisirrenanstalten. Max‘ jüngerer Sohn Otto hatte bekanntermaßen psychische Probleme, so dass sein königlicher Vater die Etablierung der Psychiatrie als Medizin grundsätzlich vorantrieb.

Die Idee und der Wille waren da, aber Behandlungskonzepte gab es kaum. Vor Gründung der damals modernen Anstalten wurden depressive Menschen, Neurotiker und „Wahnsinnige“ meist verwahrt und weggesperrt. Sie fielen dementsprechend eher in die Obhut von Polizei und Gefängnissen, wo und wenn Familien und dörfliche Gemeinschaften nicht andere, kaum weniger rabiate Lösungen parat hatten. Wegsperren war bis dahin das Mittel der Wahl. Oder die Erkrankten blieben sich selbst überlassen.

Das ehemalige Regensburger Kloster Karthaus-Prüll wurde Heimat einer der ersten Kreisirrenanstalten in Bayern. Insofern verwundert es nicht, dass Versorgung und Pflege von psychisch kranken Menschen anno 1852 bis etwa Ende des Ersten Weltkriegs auf Strukturen klösterlichen Lebens aufbauten: Zu den Klöstern gehörten nicht nur Einrichtungen des mönchischen Lebens, sondern Güter und Ländereien, die einen hohen Grad an Selbstversorgung der Einrichtungen ermöglichten. Personal und Patienten arbeiteten gleichermaßen in den Ställen und auf den Feldern. Zudem lagen die Klöster in aller Regel eher abseits großer Ansiedelungen – auch wenn Karthaus-Prüll heutzutage in die Stadtlandschaft von Regensburg „eingewachsen“ ist.

Bis zur Zerschlagung ihrer Orden und Auflösung ihrer Klöster in der Säkularisation hatten vor allem Nonnen und Ordensschwestern die öffentliche Aufgabe der (somatischen) Krankenpflege ausgeübt. Danach gab es kaum Ersatzstrukturen – es fehlte an pflegerisch professionell ausgebildetem Personal. Und überhaupt war in den neuen Anstalten zuallererst Pflicht und Gehorsam gewohntes Personal gefragt. Durch die Verpflichtung aus dem Militär entlassener lediger Unteroffiziere und die Einstellung erfahrener lediger älterer Dienstmädchen wurde das "Wartpersonal" bestellt. Eine Oberwärterin und ein Oberwärter wurden mit der Leitung beauftragt. Diese durften übrigens heiraten – das „niedere“ Wartpersonal nicht.

Leben auf Station

Das Pflegepersonal sowie das übrige Dienstpersonal waren verpflichtet, Kost und Wohnung im Krankenhaus zu nehmen. Sie lebten mit den Patienten gemeinsam auf einer Station. Auch die Nacht mussten sie mit ihnen gemeinsam im Schlafsaal verbringen.

Die Einteilung der Patienten in verschiedene – sogar drei – Klassen gab es auch damals schon. Patienten der dritten Klasse mussten den Wärtern nach dem Wecken beim Aufräumen helfen, soweit sie zu einem solchen Geschäft tauglich waren. Die Patienten der ersten Klasse hatten zum Teil sogar eigene Diener.

Der Tagesablauf auf einer Station war durch eine Dienstordnung bis ins letzte Detail geregelt. Morgenmuffel unter dem Personal hatten es damals schwer: Um 04:30 Uhr weckte der Hausmeister sämtliche Mitglieder des Dienstpersonals der Anstalt. Die Patienten hatten es etwas besser. Sie durften im Sommer bis 05:30 Uhr und im Winter sogar bis 06:30 Uhr schlafen. Dann ging es jeden Morgen zur Morgenandacht, die in jeder Abteilung in den Speisezimmern der einzelnen Klassen gehalten wurde.

Essen und Arbeiten

Beim anschließenden Frühstück sorgten die Wärter dafür, „dass jeder Kranke die ihm bestimmte Portion auf seinem Platze in Ordnung und Sitte verzehre". Anschließend aß das Dienstpersonal in zwei Schichten. Sogar die Dauer war vorgeschrieben: „In einer Viertelstunde muss jede Partie gefrühstückt haben".

Danach folgte die „Beschäftigung": ein großes Anliegen des damaligen Direktors, des 30 Jahre jungen Dr. Michael Kiderle. Eine „regelmäßige Beschäftigung ist ein unerlässliches Gesetz des Hauses für jeden seiner Bewohner", beschrieb Kiderle die ursprüngliche Regel. Auch die Wärter mussten teilnehmen. Beim Mittagessen war wieder feines Benehmen gefragt: „So werden alle Ruhestörer, wenn sie sich nicht schnell in Güte beschwichtigen lassen, vom Oberwärter und der Oberwärterin vom Tische weggeführt". Von 14:00 bis 18:00 Uhr war wieder Beschäftigung mit einer Stunde Pause dazwischen, in der Bier für die Patienten verabreicht wurde.

In den Pausen nach den Mahlzeiten gab es für die Patienten „Erheiterung und Ergötzung bei Musik, Gespräch, Spielen und Lektüren". Nach der Abendandacht ging es um 20:30 Uhr im Winter und um 21:00 Uhr im Sommer ins Bett.

Zucht und Ordnung

„Die Wärter haben darauf zu sehen, dass die Patienten sich ohne Verzug ordentlich auskleiden und niederlegen. Sie leisten ihnen dabei die nötige Hilfe. Die Wärter selbst legen sich nicht früher nieder, bis alle Kranken ihrer Abteilung sich in den Betten befinden, nachdem sie zuvor die Kleidungsstücke der letzteren sorgfältig besichtigt und in Ordnung aufbewahrt haben", heißt es in einer der Dienstanordnungen von Karthaus-Prüll.

Bei den Wärtern war vor allem Besonnenheit und Geräuschlosigkeit gefragt: „Misshandlungen eines ihnen anvertrauten Kranken, die sie auch nur durch Worte sich zu Schulden kommen lassen möchten, werden strenge bestraft".

In Lohn und Brot

Als Lohn wurden jährlich für einen Wärter etwa 200 Mark, für eine Wärterin etwa 140 Mark bezahlt. Dazu kamen freie Kost und Logis sowie das tägliche Bier. Ein Tagelöhner verdiente zu dieser Zeit etwa zwei Mark oder einen Euro täglich bei einer Arbeitszeit von zwölf Stunden. Die Bezüge des Direktors betrugen zu dieser Zeit jährlich etwa 3.000 Mark, dazu zwei Scheffel Weizen, sieben Scheffel Roggen und zwölf Scheffel Hafer sowie zehn Klafter Holz.

Die freie Verköstigung wurde in drei Klassen verabreicht: Wartpersonal, Stall- und Küchenmagd, Wäscherin, Gärtner und Laufbursche sowie die „Thorwärter“ bildeten die dritte Klasse. Etwas besser trafen es Oberwärter und Oberwärterin, Oberköchin und die Oberwäscherin. Am besten versorgt wurden der Direktor, der Assistenzarzt und der Verwalter: Sie bildeten die erste Klasse. Alle gemeinsam bekamen sie täglich als Grundnahrungsmittel je nach DienststeIlung einen halben bis einen Liter Bier. Diese Bestimmung wurde bis etwa 1930 beibehalten.

Die Verpflegung der Klasse 3 war so schlecht, dass in den Akten immer wieder Bittgesuche zu finden sind, die Kost doch aufzubessern, da "ansonsten der schwere Dienst nicht auszuhalten sei". Den Küchenmägden war es – unter diesem Aspekt glücklicherweise – gestattet, die Knochenabfälle mit auf ihre Zimmer zu nehmen, um zum Beispiel Suppe daraus zu kochen.

Ausgang und Urlaub

In einer alten Dienstordnung aus den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde genau beschrieben, in welchem Umfang den Wärtern Ausgang gewährt wurde:

• § 11 – Einen Nachmittag in jeder Woche dürfen die Mitglieder des Wartpersonals zu ihrer Erholung ausgehen, die Reihenfolge und den Tag bestimmt das Oberwartpersonal. Das männliche Wartpersonal erhält Erlaubnis von 13:00 bis 21:00 Uhr, das weibliche für die Monate Januar, Februar, November und Dezember von 13:00 bis 17:00 Uhr, für März, April, September und Oktober bis 18:00 Uhr, für Mai, Juni, Juli und August bis 20:00 Uhr.

• § 12 – Auf sogenannten Urlaub hat das Wart- und Dienstpersonal keinen Anspruch. In dringenden Fällen kann ein solcher für das Wartpersonal vom Direktor und für das Dienstpersonal vom Betriebsverwalter bewilligt werden. Doch ist der dem Wartpersonal bewilligte Urlaub durch Abzug an den Ausgangstagen wieder einzubringen.

• § 13 – Besuche darf das Wart- und Dienstpersonal nur im Anstaltsbesuchszimmer annehmen.

Quellen

  • Neuhierl, Renate: Pflege annodazumal, Magazin SYNAPSE 4/2017, S. 18f, medbo KU, Regensburg
  • Heumader-Kaspar, Michael, Lemcke, Enoch, von Ungern-Sternberg, Georg: Geschichte der Psychiatrie – Geschichte der Pflege in Regensburg 1852-1932; Projektarbeit im Rahmen der Fachweiterbildung „Fachpfleger für Psychiatrie 2005-2007“, Bezirksklinikum Regensburg.