40 Jahre in der Suchtmedizin, über 20 Jahre aktiv für Drugstop Regensburg. Mitte März hat Dr. Willi Unglaub aus den Händen von Gesundheitsministerin Judith Gerlach die Bayerische Staatsmedaille für Verdienste um Gesundheit, Pflege und Prävention entgegennehmen dürfen: für ein ganzes Arbeitsleben im Dienst der Suchthilfe und Suchtprävention. Und nicht zuletzt für „sein Baby“ Drugstop.
Dass er sich über die Auszeichnung freut, sieht man. „Aber nicht wegen mir allein, sondern weil das auch das ganze Team und im Prinzip das ganze Thema Suchtprävention endlich mal ins Rampenlicht schubst.“ Das ganze Team: Damit meint Dr. Wilhelm – „Willi“ – Unglaub viele Menschen. „Marion Hoffman-Planck und Michael Riebl haben mich zur Verleihung nach München begleitet“, erzählt er. Mit Hoffman-Planck verbinden ihn über 20 Jahre Vorstandsarbeit bei Drugstop. Und mit Michael Riebl ist es ähnlich: Er ist Mitbegründer des Regensburger Suchtpräventions- und Suchthilfeprojekts Drugstop für Menschen mit Drogenproblemen.
Suchtprävention: Den „Entzugserfolg im Kopf“ sichern
Drugstop entstand als Idee Ende der 1990er Jahre hauptsächlich über einen Kreis von Leuten, die sich in der suchtmedizinischen Abteilung des medbo Bezirksklinikums Regensburg (BKR) begegnet sind. Willi Unglaub als Mediziner, Kolleg:innen aus Pflege und Therapeutik wie Marion Hoffmann-Planck, und vor allem auch Patienten. In der Klinik wurde schnell klar, dass der körperliche Entzug bei Drogenabhängigen allein nicht ausreicht, um diese dauerhaft wieder „vom Rand in die Mitte der Gesellschaft zu holen“ – wie es Willi Unglaub ausdrückt. „Pharmakologisch war der Suchtmittelentzug völlig unterentwickelt. Medikamente wie in der Psychiatrie – Fehlanzeige. Wer aus der Klinik entlassen wurde, war schlicht auf sich selbst gestellt“, erinnert er sich. Dr. Unglaub weiter: „Wir wollten damals Strukturen schaffen, die Betroffene auffangen können, wenn sie nach der Entgiftung die Klinik verlassen. Nachsorge ist die Prävention des Rückfalls.“ Drugstop war geboren und wurde im Jahr 2000 in Form eines gemeinnützigen Vereins in Regensburg formal gegründet.
Von den Anfängen
Es ging mit kleinen Schritten los. „Wir wurden damals schon von mehreren Stellen gefördert – der Stadt und dem Landkreis Regensburg, dem Bezirk. Anfangs halt nur mit kleinen Hilfestellungen von ein paar Tausend Euro. Jahr für Jahr wurde es etwas mehr“, erzählt Willi Unglaub. Mit zwei halben Stellen hatte Drugstop ein erstes Büro betrieben. „Ein Zimmer in der Weingasse – mehr nicht“, erinnert er sich. Heute arbeiteten 25 Menschen für den Verein. Beratung für drogenabhängige Menschen wird angeboten, ebenso eine therapeutische Wohngemeinschaft und ein Kontaktladen in der Landshuter Straße. Dort ist Platz für Selbsthilfegruppen, dort wird gemeinsam gekocht, Freizeit gestaltet und immer wieder: geredet, zugehört, geholfen. Nicht zu vergessen die Drogenberatungsstelle für Jugendliche.
Aber Drugstop ist nicht das einzige Projekt, das er anschiebt. Dem Regensburger Kreis war bewusst, dass auch ein klinisches und nachklinisches Programm mit der Ausrichtung auf „psychischen Entzug“ unabdingbar war, um Betroffenen ein resozialisiertes Leben zu ermöglichen. Und dauerhafte Abstinenz, so der Psychotherapeut Unglaub, sei für Abhängige eine Lebensaufgabe.
Der Psychosomatiker
Auch am BKR ist Dr. Unglaub in seinem „Brot & Butter-Job“ für entsprechende suchtmedizinische Pionierprojekte mitverantwortlich. Da ist die erste Drogenentzugsstation in Bayern, die 1990 entsteht, und die Substitutionsambulanz, die 1998 ihre Arbeit an der medbo Regensburg aufnimmt. „Es gab zu der Zeit nur eine einzige Praxis in der Oberpfalz, die Drogenabhängige ambulant versorgt hat“, erzählt er. Vor allem das Thema Substitution sollte institutionalisiert werden. „In den Anfangszeiten hatten wir zwei Klienten, heute sind es über 100 Menschen, die regelmäßig zu uns kommen. Und die meisten können wieder arbeiten gehen und sind sozial integriert“, freut sich Unglaub. Warum das Konzept so erfolgreich ist? „Weil wir in unserer Ambulanz die Betroffenen nicht nur mit Methadon versorgen, sondern immer auch psychotherapeutisch begleiten“, ist sich der Arzt sicher.
Ein weiteres Projekt liegt Willi Unglaub ebenso am Herzen: Die „Karthause“. Station 27 des BKR spezialisiert sich auf die Entwöhnungsbehandlung von drogenabhängigen Eltern, vor allem Müttern, mit kleinen Kindern. Unglaub: „Da geht es nicht allein um die Mütter – es geht auch um die Kinder. Wir wissen heute, dass Kinder suchtkranker Eltern ein substantiell erhöhtes Risiko haben, selbst abhängig zu werden.“
Netzwerk Suchtarbeit
Der Erfolg von Drugstop, der Drogenentzugsstation, der suchtmedizinischen Ambulanzen, der „Karthause“ ist der Erfolg eines ganzen Systems „Nachsorge“ im Großraum Regensburg, ist Dr. Unglaub überzeugt. Er selbst ist seit Jahrzehnten eine Konstante in diesem System und hat viele Dinge angeschoben. Im Suchtarbeitskreis des Gesundheitsamts Regensburg engagiert er sich ab Ende der 1990er Jahre bei den Themen Illegale Drogen und Methadon-Substitution. Entsprechend ist es auch Helga Salbeck, die Vorsitzende des Regensburger Suchtarbeitskreises, die Unglaub für die Bayerische Staatsmedaille empfiehlt. Das spricht Bände über Dr. Unglaubs Leistung für Stadt und Landkreis Regensburg. Und darüber hinaus.
Engagiert sein – aktiv bleiben
Gerade ist Willi Unglaub wieder einmal in München. Diesmal zu einer psychotherapeutischen Fortbildung. „An meinem freien Tag“ schmunzelt er. Eigentlich ist er schon im Ruhestand. Aber „Ruhestand“ kann sich, wer ihn kennt, bei ihm niemand vorstellen. Am wenigsten er selbst. Mit knapp 70 Jahren praktiziert er nach wie vor als Psychosomatiker, auch an der medbo. Über 40 Jahre, seit 1983, ist er am Bezirksklinikum Regensburg beschäftigt. „Als junger Assistenzarzt frisch von der Uni Erlangen“, erzählt der gebürtige Amberger. Nach der damaligen Pflichtrotation durch alle Abteilungen im Haus wird Unglaub in die Psychiatrie versetzt. „In die Suchtabteilung. Die war Mitte der 1980er Jahre noch im Wachsen. Da wusste ich relativ schnell: Da kannst du was bewegen, was aufbauen. Das habe ich dann einfach 40 Jahre gemacht …“ Willi Unglaub lacht.
Die Auszeichnung wurde 2024 ins Leben gerufen und wird jährlich an bis zu 25 Persönlichkeiten mit herausragenden Verdiensten verliehen. 2025 wurden insgesamt 16 Personen bedacht.
„Mit der Medaille zeichnen wir eine große Bandbreite an ehrenamtlichem Engagement aus. Dieses Engagement reicht von besonderen Diensten in der Altenpflege und im Hospizwesen über gesundheitliche Aufklärung bis hin zum Abbau von Kommunikationsbarrieren oder der Leitung einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit Krebserkrankung.“ (Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention anlässlich der Verleihung am 13. März 2025 in München).