Fehlende Verbindlichkeit bei den Vorgaben zur Finanzierung des Klinikpersonals. Orientierungswerte von vorgestern, die den Versorgungsbedarf von morgen abbilden sollen. „Budgetverhandlungen als schwierig zu bezeichnen wäre eine Untertreibung“, lacht Günther. „Und hier haben wir noch nicht mal über die aktuell stark steigende Inflation gesprochen.“ Umso wichtiger ist es, betont der Controller, bestmöglich vorbereitet in die Budgetverhandlungen zu gehen. Und zwar für beide Seiten. Hier setzt auch das Praxishandbuch an. „Ein Budget, dass vor allem eines ist. Fair“, fasst er das Anliegen zusammen, dass seine zahlreichen Co-Autor:innen und er damit verfolgen. „Denn sowohl Kliniken als auch Krankenkassen haben ihre berechtigten Standpunkte und Ziele. In Anbetracht des Richtlinien-Wirrwarrs ist gegenseitiges Verständnis das Maß der Dinge.“
Das Buch teilt den Prozess der Verhandlungen in vier Phasen auf: Vorbereitung der Forderungsunterlagen, Durchführung der Verhandlung, Umsetzung des Ergebnisses und Nachweisführung. „Dabei war es uns ein wichtiges Anliegen, möglichst alle Perspektiven zu betrachten.“ Somit melden sich neben Vertreter:innen von Krankenkassen und Kliniken auch Wirtschaftsprüfer:innen oder Rechtsexpert:innen zu Wort.“ Welche Unterlagen werden wann gebraucht? Was sind Stolpersteine in Verhandlungsgesprächen? Welcher Verhandlungsspielraum ist richtlinienkonform und bildet zugleich die Realität der psychiatrischen Versorgung ab? Und für Günther mit am entschiedensten: Was passiert, wenn Verhandlungen scheitern? „Die Möglichkeit eine Schiedsstelle, eine Art Streitschlichter, zu nutzen gibt es schon lange. Viele haben damit aber kaum bis gar keine Erfahrung und schrecken dementsprechend eher davor zurück.“ Das sollte aber nicht sein, daher schafft das Fachbuch auch hier durch Erfahrungsberichte Transparenz.
„Außerdem wagen wir uns sogar, einen Ausblick zu geben. Mitsamt Ideen, wie man die heutigen Probleme künftig vielleicht besser lösen könnte.“ Eine Verschlankung des Bürokratie-Monsters oder den Einführungszeitplan der Sanktionierungen nochmal überdenken wären erste Maßnahmen, die bereits kurzfristig wirken würden und unbedingt notwendig sind. „Langfristig müssen wir allerdings größer denken“, sagt Günther. Denn Corona und verwirrende Richtlinien sind für ihn nur Symptome von Systemen, die parallel zueinander aufgebaut wurden und heute in der Praxis aufgrund der fehlenden Verbindung viele Probleme verursachen. Von der Aufnahme über die Therapie bis hin zur Nachsorge eine:n gleichbleibende:n Ansprechpartner:in als Betreuer:in haben - Medizin möglichst nahe am eigenen Lebens- und Wohnumfeld im ländlichen Raum wissen – neben stationären auch ambulante oder rehabilitative Behandlungsmöglichkeiten. Nach Einschätzung der Versorger sind das entscheidende Merkmale einer modernen, patientenorientierten Psychiatrie im Jahr 2022. Die Zeiten ändern sich. Genauso entwickeln sich die deutschen Psychiatrien fachlich weiter. Das zugehörige Finanzierungssystem scheint jedoch aus der Zeit gefallen zu sein. „Es muss grundlegend überarbeitet und gemeinsam mit den Praktikern weiterentwickelt werden“, so Stefan Günthers an Politik und Verbände.