eTinnitus

Digitalisierung in der medizinischen Forschung und Versorgung

Tinnitus: Von personalisierter Medizin und eHealth

Tinnitus allgemein ist die oft sehr störende Wahrnehmung von Geräuschen ohne vorhandene Geräuschquelle. Laut epidemiologischer Studien sind etwa zehn bis 15 % aller Erwachsenen in Europa betroffen. Es handelt sich um eine komplexe, oft chronisch verlaufende Erkrankung mit verschiedenen möglichen Ursachen (wie Hörverlust, Stress, genetische Faktoren). 

Zur großen Komplexität des Tinnitus kommt erschwerend hinzu, dass es weltweit nur wenige ausgewiesene Experten auf diesem Gebiet gibt. Für Betroffene sind die Wege daher oft weit und die Wartezeiten auf einen Termin lang. Moderne Technologien aus dem Bereich eHealth wie Gesundheits-Apps, smarte Algorithmen und künstliche Intelligenz können hier Abhilfe schaffen und die Zugangsmöglichkeiten für Tinnituspatienten zu personalisierten Therapien nachhaltig verbessern.

Die Regensburger Tinnitusforschung arbeitet an Therapieformen für verschiedene Patientengruppen. Ansätze aus dem Bereich der „Personalisierten Medizin“ sind allgemein ein Zukunftsthema der medizinischen Forschung. Die eHealth weist aufgrund ihrer Flexibilität und durch die spezifische Interaktion mit Nutzergruppen, so etwa Patienten oder gesunde Studienteilnehmer, über Apps oder Plattformen große Überschneidungen mit der Personalisierten Medizin auf. 

www.tinnitusresearch.org

Ein Expertenteam aus der bei der medbo seit langem etablierten Tinnitusforschung nimmt weltweit neue Projekte aus dem eHealth-Bereich in Angriff: Apps und Smartphone im Fokus.

Forschung soll in der Regel repräsentativ sein. Die tiefgehende Analyse möglichst vieler und großer Datensätze spielt in der Forschung entsprechend eine große Rolle: Es geht um „Big Data“, die sich heute oft über die App-basierte Forschung durch „Crowd Sensing“ ergeben. Hier verfügt die Regensburger Tinnitusforschung bereits über einige Erfahrung und Kompetenz aus anderen Projekten. Ein weiterer großer Bereich ist die Erforschung sogenannter auditorischer Stimulationen, das heißt die Anwendung speziell generierter Tonsignale als Behandlungsmöglichkeit für Tinnitus; diese hat sich in einschlägigen Studien bereits als wirksam erwiesen. Auch hier können die Regensburger Forscher Expertise vorweisen.


Community Science

Ein wichtiger Grundsatz aller derzeitig laufenden Forschungsvorhaben ist der neue Begriff der „Community Science“: Die explizite Einbeziehung von Patienten beziehungsweise Studienteilnehmern und ihrer Sichtweise in den Forschungsprozess. Durch die aktive Beteiligung dieser Gruppen kann sowohl die Qualität der Forschungsergebnisse als auch die Zufriedenheit aller Beteiligten erhöht werden. Es stärkt das Gefühl der Betroffenen, ihre Erkrankung zumindest in Ansätzen „managen“ zu können.


Patienten-Edukations-Apps

Hiermit eng verknüpft ist die Entwicklung moderner Ansätze der Patienten-Edukation bei chronischen Erkrankungen. Besonderes Augenmerk liegt hier auf intelligenten Apps, die von Patienten selbstständig, jedoch unterstützt durch Anleitungen genutzt werden können. Die Betroffenen können so das Wissen über ihre Krankheit erweitern und entsprechend ihre Möglichkeiten zu einem aktiven Umgang damit wesentlich vergrößern.

Crowd Sensing

Bei Crowd Sensing handelt es sich um ein informatisches Verfahren zur Echtzeiterfassung von körperlichen und/oder psychologischen Parametern durch mobile Messgeräte, wie sie heute in technischen Geräten wie Smartphones häufig zu finden sind. Eine große Anzahl von Nutzern (= Crowd) liefert auf diese Weise große Mengen an notwendigen und einschlägigen Daten zu Studienzwecken. Digitale Apps bilden die technische Schnittstelle. Im Fall der Tinnitusforschung am medbo Bezirksklinikum sind dies vor allem folgende:

TrackYourTinnitus

Der Tinnitus ist nicht immer gleich laut. Mit der TrackYourTinnitus App können die Nutzer über ihr Smartphone die Schwankungen ihres Tinnitus systematisch erfassen und lernen, wie der Tinnitus mit dem Tagesablauf oder Aktivitäten zusammenhängt. Die anonymisierten Daten werden für die Forschung genutzt. Zum Beispiel hat die Regensburger Tinnitusforschung damit herausgefunden, dass der Tinnitus bei den meisten Betroffenen früh am Morgen viel lauter wahrgenommen wird als am Abend. Die App ist im Appstore von Apple und Google erhältlich.

Mehr Infos gibt es unter www.trackyourtinnitus.org

TinnitusTipps

Tinnitus hat viele Gesichter, eine allgemein wirksame Heilungs- oder Behandlungsmethode gibt es aus diesem Grund nicht. Es gibt allerdings viele nützliche Tipps, die den Betroffenen helfen können, mit „ihrem“ Tinnitus gut umzugehen. Mit der TinnitusTipps App bekommen die Teilnehmer jeden Tag einen anderen Tipp und können außerdem die Schwankungen ihres Tinnitus erfassen und dadurch ihren Tinnitus besser kennen lernen. Die Daten der Nutzer werden anonymisiert und für Forschungszwecke ausgewertet. Die App ist nicht in den Appstores erhältlich und nur für Studienteilnehmer zugänglich.

TrackYourHearing

Ein Beispiel für einen relativ jungen Forschungsansatz: Wer von Hörstörungen betroffen ist, weiß, dass die Hörminderung nicht unbedingt jeden Tag gleich stark ist. Mit der TrackYourHearing kann die Regensburger Tinnitusforschung diese Schwankungen messen und für die Forschung nutzen. Gleichzeitig können die Nutzer der App sich der Schwankungen ihres Hörvermögens bewusst werden. Die App ist im Appstore von Apple und Google erhältlich.

Wer mehr Informationen haben möchte: www.trackyourhearing.org

TrackYourStress

Wann ist der Alltagsstress besonders groß? Womit hängt mein subjektiv empfundener Stress zusammen? Die TrackYourStress App soll ein Tool werden, mit dem die Nutzer den Einflussfaktoren ihrer Stressoren auf die Spur kommen können. Gleichzeitig werden die anonymisierten Daten für die Forschung genutzt. Die App wird im Lauf des Jahres im Appstore erhältlich sein.

TrackYourDiabetes

Im Rahmen des EU Projektes CHRODIS+ überträgt die Regensburger Tinnitusforschung ihre App-Technologie auch auf das Gebiet der Diabetesforschung, einer wichtigen chronischen Erkrankung. Die App wird bei Forschungspartnern in Bulgarien und Spanien eingesetzt. Die Nutzer können die Symptome ihrer Diabeteserkrankung, Zuckerspiegel und Essverhalten im Längsschnitt erfassen. Die anonymisierten Daten werden für die Forschung genutzt. Die App ist nicht im Appstore erhältlich und nur für Studienteilnehmer zugänglich.

Zu den Autoren:

PD Dr. Winfried Schlee ist Psychologe in, Axel Schiller Netzwerkmanager der Regensburger Tinnitus-Forschungsgruppe am medbo Bezirksklinikum Regensburg.