Dreiergespräch

Neue trialogische Ansätze in der Behandlung bipolarer Erkrankungen

Affektive Erkrankungen gehören zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen. Darunter fallen auch bipolare Störungen, die nicht selten einen chronischen Verlauf aufweisen und oft für große individuelle und sozioökonomischen Verluste verantwortlich sind. Ein trialogischer Behandlungsansatz soll den Verlauf bipolarer Erkrankungen deutlich verbessern.

Unter einem medizinischen Trialog (Dreiergespräch) versteht man die intensive Zusammenarbeit von Betroffenen, Angehörigen und (psychiatrischen) Behandlern auf Augenhöhe. Während beispielsweise in der Schizophreniebehandlung der Stellenwert familienorientierter systematisierter Ansätze weitläufig bekannt ist und sich der Einbezug von Familienmitgliedern als fundamentaler Behandlungsbaustein durchgesetzt hat, ist dies im Kontext bipolarer Erkrankungen Neuland – obwohl die Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen DGBS dies schon vor Jahren gefördert (und gefordert) hatte. Auch die Angehörigenarbeit wurde – trotz des bestätigten Einflusses interpersoneller Faktoren auf Entstehung und Verlauf einer bipolaren Störung – bislang weitgehend vernachlässigt. Dabei ist das Umfeld aufgrund der extremen Stimmungsschwankungen der Patienten oft sehr belastet und in das Krankheitsgeschehen stark involviert.

Angestrebtes übergeordnetes Ziel eines Bipolar-Trialogs ist die Reduktion der massiven Auswirkungen bipolarer Erkrankungen auf die Patienten und deren Umfeld.

Therapeutischer Trialog

Im therapeutischen Trialog kann der gegenseitige Austausch durch Angehörigengespräche, Psychoedukations- sowie Angehörigengruppen stattfinden. In dieser Umgebung soll ein Perspektivwechsel bei den Beteiligten angestoßen werden, durch den das gegenseitige Vertrauen gestärkt und die Entstigmatisierung des psychisch Erkrankten begünstigt werden sollen. Auch die Anbindung an die professionellen Behandler:innen profitiert.

Im therapeutischen Trialog werden gemeinsam langfristige Strategien erarbeitet. Gemeinsam können die Trialogteilnehmer lernen, Episoden oder Frühwarnzeichen rechtzeitig zu erkennen, so dass Krisen und Rückfälle vermieden werden können. Das wiederum erhöht die Chance auf einen günstigeren Krankheitsverlauf.

Stimmt der bipolar-affektive Patient zu, erweist sich die Integration eines trialogischen Austauschs ins Behandlungsprogramm und der Aufbau eines gemeinsamen Krankheitsverständnisses in hohem Maße als günstig.

Begleitender Trialog

Außerhalb des exklusiven therapeutischen Settings können begleitende Trialogformen zur Entlastung der Betroffenen und deren Angehörigen führen. Es handelt sich hier um offene Runden bis hin zu richtigen Trialogforen, bei denen eine Vielzahl Betroffener und Angehöriger Erfahrungen austauschen, Probleme schildern und Fragen stellen können. Die Protagonist:innen dieser Foren sind oft lokale/regionale Selbsthilfe- und Angehörigengruppen, die gemeinsam mit den entsprechenden Kliniken und medizinischen Behandler:innen die Veranstaltungen thematisch planen und durchführen.

Politischer Trialog

Darüber hinaus kann langfristig auch die in Verbänden oder Fachgesellschaften stattfindende Arbeit des politischen Trialogs die Situation der von bipolaren Störungen Betroffenen günstig beeinflussen. In diesem Rahmen können nicht nur große Beiträge im Sinne von Beratung, Aufklärung oder Entstigmatisierung geleistet werden.

Auch eine direkte Mitwirkung an zukünftigen Behandlungsempfehlungen ist möglich, wie am Beispiel der DGBS eindrucksvoll verdeutlicht werden kann. So ist die DGBS als selbst trialogisch organisierte Fachgesellschaft aktiv an der Aktualisierung der S3-Leitlinie der Bipolaren Störungen beteiligt. Diese Leitlinie berücksichtigt nun auch den trialogischen Ansatz, der neben Betroffenen und medizinischen Fachleuten auch die Angehörigen in die therapeutische Arbeit einbezieht.

Bipolare Störung: S3-Leitlinienempfehlung

Aufgrund bislang fehlender randomisierter Kontrollstudien sind die Empfehlungen überwiegend als Statements (S) beziehungsweise Klinische Konsens Punkte (KKP) einzuordnen.

  1. „In professionellen Fort- und Weiterbildungen soll der trialogische Aspekt besonders berücksichtigt werden. Die direkte Beteiligung engagierter Betroffener, Angehöriger und anderer Bezugspersonen soll selbstverständlich sein“. (S)
  2. „Über die gesetzlich vorgeschriebene Aufklärungspflicht hinaus soll mit dem Patienten im Rahmen einer partizipativen Entscheidungsfindung von Behandler, Patienten und, wenn zugestimmt, auch Angehörigen über mögliche Behandlungsstrategien und die damit verbundenen erwünschten Wirkungen und möglichen Risiken gesprochen und entschieden werden. Die Informiertheit des Patienten ist Grundlage kooperativer Entscheidungsfindung und Voraussetzung gesundheitsfördernden Verhaltens. Menschen mit unzureichenden Deutschkenntnissen sollten diese Information in ihrer Muttersprache erhalten können“. (KKP)
  3. „Patienten und Angehörige sollten auf eine mögliche Unterstützung in Form von Ratgebern, Selbsthilfemanualen, Schulungsprogrammen (wie Kommunikations-Trainings, Selbstmanagement-Trainings) hingewiesen werden, konkrete Literaturhinweise erhalten und zur Teilnahme an aktuellen Veranstaltungen ermuntert werden“. (KKP)
  4. „Selbstmanagement sollte im therapeutischen Prozess fortlaufend gefördert werden. Dabei kann Peer-Support die Selbsthilfe wirkungsvoll ergänzen“. (KKP)
  5. „Selbsthilfegruppen sollen durch das professionelle Hilfesystem unterstützt werden durch:
    • Konkrete Ermutigung von Betroffenen und Angehörigen zum Besuch von Selbsthilfegruppen
    • Bereitstellung von Räumen in sozialen Einrichtungen, kirchlichen Räumen, psychiatrischen Kliniken/Praxen
    • Aufnahme der Angebote der örtlichen Selbsthilfe in Aushängen, Flyer in sozialen Einrichtungen, kirchlichen Räumen, psychiatrischen Praxen, Kliniken
    • Bewusst gestaltete Übergänge von professionellen zu Selbsthilfegruppen
    • Angebot von andauernder Beratung und Unterstützung in Krisen“ (KKP)
  6. „Angehörige sollten von Beginn an und über alle Phasen der Behandlung des Erkrankten einbezogen werden“ (KKP)

„Lehnt der Patient oder der Angehörige eine Einbeziehung ab, sollte im Interesse der Sicherung eines langfristigen Behandlungserfolges darauf hingearbeitet werden, das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Angehörigen zu stärken“ (KKP)

Literaturempfehlungen

  • DGBS e.V. und DGPPN e.V.: S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. Langversion, 2019.
  • Kronmüller, Klaus-Thomas & Kratz, B. & Karr, M. & Schenkenbach, C. & Mundt, C. & Backenstrass, Matthias. (2006). Inanspruchnahme eines psychoedukativen Gruppenangebotes für Angehörige von Patienten mit affektiven Störungen. Nervenarzt, 77. 318-326.
  • Pfennig, A., Correll, C. U., Leopold, K., Juckel, G. & Bauer, M. (2012). Früherkennung und Frühintervention bei bipolaren Störungen. Der Nervenarzt, 83(7), 897-902.
  • Schäfer, M., Stehlin, N., Harich, H., Bornheimer, E., Klingler, F., Reif, A. & Scherk, H. (2021). Trialogische Behandlung von bipolaren affektiven Störungen. DNP – Der Neurologe & Psychiater, 22(5), 60-69.
  • Schmid, R., Huttel, G. U., Cording, C. & Spießl, H. (2007). Die Situation von Angehörigen von Patienten mit bipolaren affektiven Störungen. Fortschritte der Neurologie·& Psychiatrie, 75(11), 665-671.

Kontakt

Melissa Langer ist Psychologin im Team der Männersprechstunde Cham.

medbo Zentrum für Psychiatrie Cham
Männersprechstunde
August-Holz-Straße 1 | 93413 Cham
Fon +49 (0) 9971/76655-0 | maennersprechstunde-psy-cha@medbo.de

 

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