Licht am Ende des Tunnels: Über 150 Kolleginnen und Kollegen bekommen heute ihre zweite Impfung gegen das Corona-Virus. Und ich helfe mit im Windschatten und als Assistentin von Impfkoordinatorin Dr. Dagmar Steffling.
Die Arbeit in der Verwaltung eines Gesundheitsunternehmens ist eine spezielle Sache: Man sitzt den ganzen Tag am Schreibtisch (meiner steht wegen der Pandemie seit März 2020 noch dazu im Homeoffice), heilt keine Menschen, rettet kein Leben und steht unter dem Verdacht, die Dinge im Krankenhaus eher komplizierter als einfacher zu machen. Ich selber – die Fachfrau für „Geschichten aus der medbo“ – lasse mich da allenthalben schon zu einem kleinen Minderwertigkeitskomplex hinreißen. Deswegen schlug kurz vor Weihnachten 2020 meine Stunde, als das Covid19-Impfteam der medbo freiwillige Helfer:innen suchte. Kein Zögern, kein Zaudern: Ich habe mich sofort angemeldet.
Bildnachweis: Renate Neuhierl
Titelbild: Dr. Gabriela Mütterlein impft gerade Dr. Bernhard Neumann
Die Covid19-Impfungen liefen in der medbo gleich nach Weihnachten 2020 an. Aber die Vorbereitungen für die Impfkampagne gingen schon viel früher los. Anfang Dezember hatte die medbo der Belegschaft angeboten, sich vorab zu einer Impfung – unverbindlich und online – anmelden zu können. Logisch: Denn die Impfung ist freiwillig. Schon damals stand fest, dass am Anfang der Impfstoff nicht fließen, sondern in die medbo eher reintröpfeln würde. Aber sobald der Impfstoff verfügbar sein würde, sollte das Impfteam entsprechend nur bekennende Impfwillige ansprechen und einladen können. Binnen einer Woche hatten sich bereits damals über 600 medboianer angemeldet, bis zum 22. Januar sogar über 2.000. Bei 3.500 Köpfen in der Belegschaft! Die Zahlen zeigen auch: Eine Impfkampagne unter diesen Vorzeichen muss strategisch geplant, dabei aber taktisch-flexibel aufgesetzt werden.
Dr. Dagmar Steffling, die Chefin der Zentralen Notaufnahme des Bezirksklinikums Regensburg, leitet heute das Regensburger Impfteam. Sie wechselt sich hier mit Betriebsärztin Dr. Doreen März ab. Als Anästhesistin und Notärztin kennt Steffling alle Abstufungen von alltäglichen Notfällen über mittlere Krisen bis hin zum Katastrophenschutz. Keine Frage: Die Frau weiß, was sie tut, wenn sie eine Kampagne organisiert. Als ich am Freitag, den 22. Januar, im Hörsaalgebäude der medbo Regensburg meinen Dienst antrete, staune ich nicht schlecht: Wegeleitsysteme und Beschilderung sorgen für ein Einbahnstraßen-Verkehrsnetz, damit sich die Leute nicht selbst im Weg stehen; die insgesamt vier Stationen „Anmeldung“, „Ärztliches Aufklärungsgespräch“, „Impfung“ und „Nachbeobachtung“ sind eingerichtet, haben eigene Wartebereiche und sind – nebenbei – perfekt ausgestattet; die Helfer:innen sind pünktlich zur Einführung gekommen. Und die medbo Küche hat Lunchpakete für alle gepackt.
Dr. Steffling geht mit dem Team die Infrastruktur durch und erklärt die Prozesse. Auch ein Corona-Schnelltest kann noch gemacht werden. Vorsichtshalber. Mir im Speziellen eröffnet sie, dass ich a) eine leuchtend pinkfarbene Impfteam-Warnweste tragen muss, weil „Pink“ bedeutet, dass ich b) heute ihr direkt zur Hand gehen werde.
Mit dieser pinkfarbenen Warnweste bin ich wie Dagmar Steffling als „Koordinatorin“ ausgewiesen: als stellvertretende Koordinatorin, um genau zu sein. Mannomann! In meinem Fall heißt das,
Was ich nicht bin: Springerin. Das ist dafür Dagmar Steffling: Überall, wo gerade ein Stau entsteht, springt sie ein und hilft. Sie ist durch und durch Teamplayerin. Nicht nur im Team „Pink“, sondern für das gesamte Impfteam ist Dagmar Steffling aber auch Häuptling. Ihr Markenzeichen: Ein Klemmbrett mit der Liste der Impfkandidat:innen des Tages plus „Reserve“. Denn, so erklärt sie mir, es dürften derzeit nur sogenannte Prio-1-Kandidaten geimpft werden. Auf ihrem Klemmbrett hakt Dr. Steffling regelmäßig die geimpften Personen ab. Dazu stimmt sie sich einerseits mit den Mediziner:innen (Warnwestenkennfarbe: Orange) ab, die heute abwechselnd die Impfungen durchführen: Betriebsärztin Dr. Katharina Uttendorfer, Lungenfachärztin Dr. Gabriela Mütterlein, Dr. Stefan Werner (Leiter der Gedächtnisambulanz), Neurologe Dr. Cornelius Fuchs, PD Dr. Lee De-Hyung (Leiter der neurologischen Poliklinik) und Neurologe PD Dr. Klemens Angstwurm. Dann gleicht Dr. Steffling ihre Liste wiederum mit Silvia Schiekofer (sonst Pflegedienstchefin unter anderem in der Psychiatrischen Institutsambulanz sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie Regensburg) und Krankenschwester Ina Wodarz-Gmeiner ab: Die beiden stemmen die Registrierung.
Die Ständige Impfkommission der Bundesrepublik Deutschland (StIKo) hat vorab verbindlich geregelt, welche Personenkategorien und Berufe mit welcher Priorität durch wen geimpft werden dürfen. Unter den Regensburger medboianern, die heute zum zweiten Mal geimpft werden, erkenne ich vor allem Kolleg:innen aus den neurologischen Zentren, der Altersmedizin, der Notaufnahme und der Psychiatrischen Institutsambulanz. Sie alle hatten sich zuvor – siehe oben – als Impfwillige registriert und bekamen ihre erste Dosis vor drei bis vier Wochen zwischen den Jahren. Fällt nun heute einer der Impfkandidaten aus, so muss Dagmar Steffling umgehend für Ersatz sorgen – adäquaten Ersatz aus derselben StIKo-Priorisierung. Gelingt das nicht, verfällt schlimmstenfalls der Impfstoff. Ab dem frühen Nachmittag telefoniert Steffling ständig.
Der Impfstoff ist aktuell noch sehr knapp. Dr. Steffling ruft immer wieder das Regensburger Verteilzentrum an, weil die heutige zweite Impfstofflieferung verspätet ist und damit der Impfprozess zu stocken droht. In der Anwendung ist das Mittel auch nicht ganz unkompliziert! Das Verteilzentrum am Dultplatz liefert heute den Biontech/Pfizer-Impfstoff, der auf -70 Grad Celsius gekühlt bleiben muss. Taut man ihn auf, darf er bis zu fünf Tage im Kühlschrank aufbewahrt werden. Die medbo Apotheke muss den Impfstoff dann noch herrichten, das heißt in absolut akurater Art und Weise „erwärmen“, damit er die richtige Konsistenz bekommt, den Ampullen entnehmen und mit bestimmten Flüssigkeiten mischen, schließlich in exakt der richtigen Einzeldosis vorbereiten. Die Apotheke des Bezirksklinikums ist überhaupt für die gesamte Ausrüstung zuständig: Spritzen, Kanülen, Heftpflaster … Ist der Impfstoff einmal aufbereitet, muss er binnen sechs Stunden verimpft werden. Sonst ist er hin. Zur Knappheit kommt also noch das enge zeitliche Impffenster on top. Stress pur.
Die Impfkandidat:innen der heutigen Runde kennen das schon: Nach der Spritze müssen sie noch eine halbe Stunde unter Beobachtung bleiben. Viele haben Bücher oder ihre Notebooks dabei, um sich zu beschäftigen. Als Ruheraum haben Dr. Steffling und ihr Team die Mehrzweckhalle lose, also mit Abstand, bestuhlen lassen. Eigentlich genügt eine Viertelstunde, aber sicher ist sicher: Die Statistik zeigt, dass Nebenwirkungen, wenn überhaupt, dann meist in den ersten paar Minuten nach der Impfung auftreten. Ab und zu schaue ich bei Bekannten in der Mehrzweckhalle vorbei und frage nach, wie es ihnen mit der Impfung geht. Gabi Rieder etwa, Leiterin der Intensivstation in der Neuro-Reha, lacht und sagt „Mir ist bei der ersten Impfung kein Ringelschwanzerl gewachsen – und jetzt ist auch alles super“, während Prof. Linker, Ärztlicher Direktor der Neurologie, schon beim ersten Impftermin Schmerzen im Oberarm bekam: „Wie manchmal nach einer Grippeimpfung“, sagt er.
Der medbo Arbeitsschützer Enoch Lemcke und Stationsleiter Alois Werner – Kennzeichen: Gelbe Warnwesten – übernehmen die Überwachung der Geimpften in der Mehrzweckhalle. Alle Impflinge haben bei der Anmeldung einen Laufzettel bekommen, der von Station zu Station im Impfprozess ausgefüllt wird: Der letzte Punkt ist der Eintrag der „Ruhezeit“ durch Enoch Lemcke und Alois Werner, die den Laufzettel dann auch zu den Akten nehmen: Der letzte Akt, sozusagen.
Wenn in Folge der Impfung dennoch etwas passieren sollte, hat Dr. Steffling auch dafür Vorsorge getroffen: Typisch Notärztin. Im Hörsaalgebäude ist ein richtiger kleiner Schockraum eingerichtet, mit drei Behandlungsliegen und Technik zur Vitalwertemessung. Gebraucht wurde er bislang noch nicht.
Jörg Pfeiffer, Leiter der medbo Apotheke, bringt frischen Impfstoff
Dr. Ion Chincea hält heute über 100 ärztliche Aufklärungsgespräche
Aufklärungsgespräch auch für Chefärzte. V. l.: Prof. Dr. Schlachetzki, Dr. Seier, Dr. Steffling, Prof. Dr. Linker
30 Minuten Impf-Nachbeobachtung
Silvia Schiekofer registriert eine Impfkandidatin
Dr. Dagmar Steffling (rechts) gleicht Impflisten mit Ina Wodarz-Gmeiner ab
Das Impfteam - Fotografieren ging ganz schnell!